Es ist eines der meist diskutierten Themen bei Auftritten: Welche Gestik verwendet man? Was ist authentisch? Gibt es zuviel?

Wir gestikulieren grundsätzlich richtig – außer auf der Bühne

Wir wollen mit unseren Auftritten Menschen bewegen, sprich auf einen Weg bringen. Sei es, dass wir sie motivieren wollen, lustvoll informieren oder von Herzen unterhalten. Meine feste Überzeugung ist: Das geht nicht mit Stillstand.

Und zweitens: Schauspiel ist ein verdammt schwieriger Beruf. Ich bin also gegen aufgesetztes, antrainiertes Verhalten, weil ich fest davon überzeugt bin, dass 90% von innen kommen. Natürlich glaube ich aber, wie immer, an 10% Regelwerk, das man kennen sollte.

Wir sollten uns also möglichst so verhalten, wie wir das sonst auch tun. 99% aller Menschen, die ich kenne, haben ihre eigene, unverwechselbare und in aller Regel schlüssige Gestik. Und das beste dran: Wir denken darüber nicht nach. Wenn jemand sagt: „Ich war so sauer!!“ – dann wird sich eine Geste ganz von alleine einstellen. Und zwar, weil die innere Bewegung klar, die Emotion da ist.

Bitte kein Laien-Theater!

Vor allem in den 80ern und 90ern war Gesten Training ungeheur „in“ im Training. Das hat dann dazu geführt, dass man gleich wusste, wenn jemand im Training war. Plötzlich waren die Menschen unecht und wie Roboter. Das Wichtigste: Jede Gestik braucht einen Sinn und eine Bedeutung. Die „Scheibenwischerbewegung“ beim Vortragen, das bemühte „Die Hand im Halbkreis bewegen“ beim Standardsatz „Schön, dass Sie alle da sind“, die mühevoll geballte Faust. All das wird schnell als unecht empfunden. Wir haben als Menschen dafür extrem feine Antennen.

In manchen Trainings wird gelehrt, dass man zum Gefühl die Gestik dazumacht. Man sagt also: „Wir hatten ein exzellentes Ergebnis“ und führt gleichzeitig die Geste aus. Ich möchte das differenzieren: Das Gefühl ist, wenn es echt ist, immer VORHER da. Ich fühle also erst: „WOW – wir sind echt gut!“. Und DANN sage ich es – und somit kommt die Geste automatisch. Gleichzeitige Überbetonung macht – zumindest in unserem Kulturkreis – unglaubwürdig. Wir sind das „It´s soooooo lovely“ inklusive Herzsymbol auf der Brust nicht ganz so gewohnt.

Übrigens: Studien haben gezeigt, dass selbst Kinder, die blind geboren wurden, Sprache und Gestik gleichermaßen einsetzen, wie Kinder, die sehend geboren wurden. Gestik ist uns also tatsächlich angeboren – und jegliches daran „herumdoktern“ endet meist in fataler Un-Echtheit.

Die wichtigsten Gestik Regeln, um grobe Fehler zu vermeiden

  1. Wenn Sie mit Ihrer Gestik sehr klein bleiben, also innerhalb Ihrer Konturen, dann wirken Sie gerade auf Bühnen entsprechend kleiner. Es gilt: Je größer ein Raum ist, umso größer kann auch die Gestik sein.
  2. Gestik unter Gürtelhöhe wirkt in der Regel (zu) verhalten, über Brusthöhe (zu) groß. Meist ist der Bereich dazwischen ideal.
  3. Die sogenannte „parallele Gestik„, bei der beide Hände spiegelbildlich dasselbe machen, wirkt aufgesetzt. Natürliche Gestik wird meist mit einer Hand gemacht, die zweite unterstreicht allenfalls.
  4. Spezialfall TV Interview: Selbstverständlich gilt auch hier, dass Kongruenz, also das Übereinstimmen von Gestik und Gesagtem, wichtig ist. Der Unterschied ist, dass der Bildausschnitt die gefühlte Nähe zum Zuschauer bestimmt. Wenn auch der Journalist 2 Meter von Ihnen entfernt sitzen mag – wenn die Kamera Sie in der sogenannten „halbnahen“ oder „nahen“ Einstellung filmt, sind Sie mir zu Hause dementsprechend nahe. Verwenden Sie also Ihre Gestik nur so intensiv, wie Sie das in einem – nahezu – intimen Gespräch machen würden.
  5. Spezialfall TV und große Bühne: Wenn Sie auf einer großen  Bühne in der Totalen gefilmt werden, ist der  gefühlte Abstand wieder groß. Schwierig ist das, wenn Sie auf der Bühne vor großem Publikum sind und zugleich am Bildschirm. Deshalb hat man oft das Gefühl, dass Thomas Gottschalk in „Wetten, dass…“ einen zu Hause angeschrien hat, weil er meist für den Saal gewirkt hat (man versucht das durch viele Einstellungen abzufangen, die nicht sehr intim sind, wie „Halbtotalen“ oder „Totalen“). Ein Günther Jauch hingegen hat sich in der „Millionenshow“ eher für das Fernsehpublikum entschieden und kann durchaus intim flirten.

 

Zum Thema:

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