Colin Firths Schützling lernt Charisma

Haben Sie zufällig die US-amerikanisch-britische Agentenkomödie „Kingsman. The Secret Service“ mit Colin Firth, dem seine erste Action-Rolle sichtlich Spaß macht, gesehen? Warum mir die an dieser Stelle einfällt? Weil sie ein Paradebeispiel für die Heldenstory par excellence ist, die uns auf recht unterhaltsame, wenn auch gar nicht so besonders neue Art und Weise vorführt, was einen Helden ausmacht – und außerdem ist dieser Film, der übrigens aktuell in unseren Kinos läuft, einer, der ganz wunderbar zu meinem Buch „Charisma fällt nicht vom Himmel“ passt: weil Harry Hart (vom smarten Colin Firth dargestellt) einen Jungen unter seine Fittiche nimmt, der zu Beginn ein durchschnittlicher Teenager aus einer benachteiligten sozialen Schicht mit schier unüberwindbaren Problemen und am Ende ein wirklich charismatischer junger Mann mit Selbstbewusstsein, Manieren und eleganter Kleidung geworden ist, dem sogar skandinavische Prinzessinnen nicht widerstehen können. Eine typische Heldenstory eben.

Die klassische Heldenstory funktioniert immer

Aber ich merke gerade: Ich springe vom Hundertsten ins Tausendste – also kurz die ganze Geschichte von vorn erzählt, damit Sie im Bilde sind: Der von Colin Firth verkörperte Harry Hart (Codename Galahad) ist Geheimagent bei den britischen Kingsmen, deren Aufgabe nichts Geringeres ist, als im Verborgenen für die Sicherheit auf unserer Erde zu sorgen. Er schlägt als Frischling Gary „Eggsy“ Unwin vor, einen vom rechten Weg abgekommenen Pubertierenden aus den Londoner Slums, der sich gerade gegen die von den anderen Kingsmen vorgeschlagene Elite Englands behaupten muss, als der Milliardär Valentine (ein herrlich durchgeknallter Samuel L. Jackson) ein globales Komplott – sein ganz persönliches Armageddon – plant. Im Zuge des Kampfes gegen diesen Fiesling verliert Eggsy seinen Mentor und kommt selbst nur knapp mit seinem Leben davon, steigt zum Schluss allerdings zum edlen Ritter auf (ganz im Stil der Ritter der Tafelrunde, welcher die Decknamen der Kingsmen-Agenten nachempfunden sind).

Was jeder Held durchmachen muss

Die Story klingt nicht neu erfunden, nicht wahr? Aber das macht nichts! Wir können uns nämlich – solange halbwegs originell inszeniert und von einer guten Besetzung erwartungsgemäß brillant gespielt wird – kaum sattsehen an so einer Heldenstory, weil sie uns offenbar an ganz archaischen Punkten erreicht und darum zutiefst berührt und befriedigt. Deshalb funktionieren sie auch immer wieder für uns, obwohl (oder besser gesagt: weil) uns diese Heldenstory seit Beginn der Menschheit begleitet – denken Sie nur an die Sagen und Legenden von Odysseus, James Bond, Batman oder jüngst Katniss aus „Die Tribute von Panem“ (da auch immer mehr weibliche Helden in Hollywood in Szene gesetzt werden). Jede Heldenstory erreicht uns, weil wir sie sozusagen in unseren Genen verankert haben – und weil Helden einfach gar nicht anders können als zu siegen.

Die Erzählstruktur ist bei der Heldenstory immer dieselbe (mit nur wenigen Abweichungen):

  1. Der Ausgangspunkt ist die gewohnte Welt des – zukünftigen – Helden. Er lebt sein durchschnittliches Leben – so auch Gary „Eggsy“ Unwin in unserem aktuellen Kinofilm-Beispiel.
  2. Der Held wird von einem Boten zum Abenteuer gerufen. Genau, das ist in diesem Fall Colin Firths Rolle des Harry Hart!
  3. Diesem Ruf verweigert sich der künftige Held zunächst. Er hört die Zeichen nicht, lehnt die Reise ab und lebt sein Leben weiter. Jep, so passiert es auch in „Kingsmen“!
  4. Der Mentor überredet seinen Schützling, die Reise anzutreten. Im Film startet die Entwicklung, als Eggsy ins Kingsmen-Assessmentcenter aufgenommen wird.
  5. Der Held überschreitet die erste Schwelle. Diesen Punkt erleben wir im Film anschaulich, als Eggsy seine erste Prüfung besteht.
  6. Der Held erkennt, worauf er sich eingelassen hat und erfährt seine ersten Bewährungsproben. Dabei trifft er sowohl auf Verbündete als auch auf Feinde und er muss den Unterschied zwischen Gut und Böse erlernen. Dem ist nichts hinzuzufügen, denn sollten Sie „Kingsman“ gesehen haben, werden Sie schon wissen, dass auch dieser Punkt exakt auf diese Art und Weise dargestellt wird.
  7. Nun dringt er bis zum gefährlichsten Punkt vor und trifft dort auf den Gegner – in unserem Fall ist das der bereits beschriebene skurrile Valentine.
  8. Der entscheidende Kampf findet statt: die Begegnung mit dem Gegner und der Sieg über ihn. Selbstverständlich besiegt auch Eggsy den verrückten Valentine und rettet damit (gemeinsam mit einer Kollegin und einem alteingesessenen Kingsman, nachdem ein weiterer scheinbarer Mentor sich als Verräter entpuppt hatte) die Welt.
  9. Nun wird gefeiert – in diesem Film passiert das u.a. durch die Liebesnacht mit besagter Prinzessin –, bis der Held draufkommt, dass er zurück in die alte Welt muss.
  10. Der Held tritt den Rückweg an. Er überschreitet nun die Schwelle von der außergewöhnlichen zurück zur normalen Welt.
  11. Durch den Sieg über den Feind ist der Held zu einer neuen Persönlichkeit geworden. Eggsy ist nicht nur zu einem ansehnlichen Gentleman herangereift, sondern hat auch endlich das Selbstbewusstsein erlangt, das er benötigt, um sich gegen den fiesen Freund seiner Mutter zu wehren und diese aus dessen Fängen zu befreien.
  12. Der Held kehrt mit dem Elixier, dem Wissen, seiner Erkenntnis zurück. Zu Hause wird er mit Anerkennung belohnt. Er trägt durch seine Heldentat zur Entwicklung der anderen bei. Genau! Denn seine Mutter, die damals am Tod von Eggsys Vater scheinbar zerbrochen war und sich selbst hat gehen und schlecht behandeln lassen, blüht auf, als er sie aus ihrer gewaltvollen Partnerschaft befreit.

Sie sehen schon: Das Schema der Heldenstory ist Ihnen bestimmt nicht unbekannt! Wenn Sie es aber noch genauer wissen wollen: Näheres dazu finden Sie in meinem Buch „Charisma fällt nicht vom Himmel“!

Werden Sie zum Helden auf der Bühne!

Ach so, Sie fragen sich vielleicht, was all das mit charismatischen Auftritten oder wirklich guten Rednern zu tun hat? Ganz einfach: Für das Finden Ihrer Kernaussage, über die Sie vielleicht in Ihrer nächsten Rede sprechen wollen, ist die Heldenstory eine wunderbare Hilfestellung. Finden Sie also Ihre eigene Heldenstory und nehmen Sie den Bonus, dass Sie als Held nur siegen können, mit zu Ihrem nächsten Auftritt!

Oder anders gesagt: Genießen Sie den Frühling und gehen Sie doch auch wieder mal ins Kino, wenn die April-Sonne sich – wie es ihr zusteht – vorübergehend erneut verziehen sollte! Oder lesen Sie dann einfach gemütlich auf dem Sofa entspannend ein wirklich gutes Buch – ich hätte da einen Tipp: „Charisma fällt nicht vom Himmel!“ 

 

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