Oder: Warum uns „The sound of silence“ retten kann.

Trump also.

Viele haben aus sehr berufenem Munde dieses Ergebnis kommentiert – warum soll ich meinen Senf dazugeben? Weil es mir ein Anliegen ist. Weil dieses Ergebnis sehr viel mit meinem Thema, der begeisternden Kommunikation, dem Charisma, zu tun hat. Und weil ich vor dem, was gerade passiert, seit Jahren warne. In meinen Medientrainings, Redecoachings, Vorträgen, in Gesprächen und ganz dezidiert in meinem Buch „Charisma fällt nicht vom Himmel“.

Was ich im Kern sage:

Dass diejenigen, die sich jetzt wundern, sich nicht wundern sollten. Sie bekommen einfach nur die Rechnung serviert für langes untätig sein was ihre (Un)fähigkeit betrifft, zu begeistern.

Natürlich war ich heute Morgen baff, als ich das Ergebnis gesehen habe – und irgendwie auch nicht. Gerade gestern Nachmittag hatte ich ein Training mit einem Kunden, in dem es darum ging, ein Projekt zu kommunizieren, das von Ängsten begleitet sein kann.

Gerade gestern habe ich dabei meinem Kunden die Reihenfolge aufs Flipchart gemalt, wie die unerbittliche Reihenfolge lautet, wenn man nicht kommuniziert.

Daher der Titel des Blogs – ein Filmtitel von Rainer Werner Fassbinder. Es geht um die Reise von der Unwissenheit über die Angst zur Wut.

1. Unwissenheit

Wenn Menschen Vorgänge nicht verstehen, wird es heikel. Davon haben wir derzeit auf der Welt mehr als genug. Vor 15 Jahren hatte ich noch Banker in meinen Trainings, die mir einigermaßen glaubwürdig gesagt haben, dass sie wissen, wie die Welt in Sachen Finanzen tickt – das kann mir heute keiner mehr sagen.

In allen Facetten wird über die Industrie 4.0 gesprochen. Und nicht nur das: wir leben sie alle, sklavenhaft begeistert. Ich nehme mich an der eigenen Nase – klar hat Amazon was. Aber was glauben wir denn, wo die ganze „gesparte“ Kohle bleibt? Wo die Arbeitsplätze sich wie von Zauberhand hin verschieben? Sämtliche Zukunftsdenker und Industrievisionäre sagen uns sehr glaubhaft voraus, dass wir demnächst auf 20, 30 40, 50% der Arbeitsplätze verzichten werden. Logisch: Wenn die Autos selbst fahren und sich alles selbst organisiert – wo sind sie hin, die Taxifahrer, LKW Lenker, Reisebüroangestellten, Buchhändler, Journalisten. Was tun die Ärzte, deren Job Chirurgie Roboter und Datenbanken übernehmen? Die Call Center Agents, die Versicherungsmakler und die Elektronikverkäufer? Und, und, und. Dass Sie mich richtig verstehen: das ist kein Retro-Appel. Ich zähle nur die Fragen auf, die sich stellen und halte fest, dass ich in den letzten Jahren nicht einen einzigen Politiker erlebt habe, der auch nur die Fragen stellt – geschweige denn auch nur annähernd so etwas wie eine Antwort hat.

Das Ganze hat noch eine Folge: wir haben ein permanent schlechtes Gewissen, weil wir als Menschheit ethisch mit der Entwicklung nicht mitkommen. Das ist schon länger so. Waren industriell produzieren können? Passt. Her damit. Automobile bauen können? Yes! Massentierhaltung technisch schaffen. OK. Und jetzt? Digitalisierung. Mal ehrlich: kaum sind wir mit der Generation Y durch kommt schon die Generation Z. Alle, so sagen die Kenner, gänzlich anders als alle je zuvor. Nein. Letztlich Menschen.

Und so treiben wir in immer höher werdendem Tempo die Maschinerie weiter. Und haben dabei ständig ein dumpfes, schlechtes Gewissen, weil wir uns nicht mal mehr annähernd vorstellen können, wo die Reise hingeht. Darum geht es dann nochmal im Epilog „the Sound of Silence“.

Kurzum: Viele Fragen, keine Antworten. Unverständnis und Unwissen. Die Folge?

2. Angst

Wenn Menschen nicht verstehen, nicht begreifen können, dann kommt sie unvermeidlich. Die Angst vor zum Beispiel Erdgas – wo kommt sie her? Weil wir es nicht sehen können, in der Regel nicht hören und – solange es nicht angereichert wird – nicht mal riechen. Die Angst, die wir als Kinder vor dem großen bösen Wolf hatten, war darum noch irgendwie erträglich. Den konnte irgendwer abmurksen und den Bauch zunähen und allerlei Ekliges. Aber es war Angreifbares, sinnlich Wahrnehmbares, vor dem man Angst haben konnte. Eine Maschine kann ich wenigstens hassen und bei Demonstrationen besetzen. Aber die Digitalisierung? Die Veränderung der Welt? Die Überflutung unserer Kommunikationskanäle? Ethische Entscheidungen, die wir aufschieben? Keine Chance. Das alles ist recht amorph. Da war der saure Regen der 80er noch gemütlich. Wenigstens konnten wir sehen, wie er sich auf Bäume auswirkt. Wie uns Amazon verarscht muss man mal bildlich darstellen.

Die klügsten Menschen, mit denen ich rede, erzählen mir sehr schlüssig, was alles möglich ist und sein kann und sein wird. Aber eine Frage konnte mir keiner beantworten: Wollen wir das wirklich? Beherrschen wir das Tempo?

Wenn jetzt jemand kommt und diese Angst mit wem oder was auch immer symbolisch auflädt – dann macht der Punkte. Die Mexikaner sind schuld, die Moslems, die Schwulen, die wer auch immer. Kein Wunder, dass das aufgeht, so falsch es ist. Bei Menschen, die Angst haben, weil sie zu wenig wissen, punktet man mit Angst. „Wir werden eine Mauer bauen im Süden. Und Mexiko wird diese Mauer bezahlen. Sie wissen das noch nicht, aber sie werden bezahlen.“ „Wenn ich gewinne, fliegen die Moslems raus. Wir wollen sie nicht hier haben.“ Wörtliche Zitate. Jetzt Präsident. Alles klar?

Denn wir sind beim nächsten Schritt in der Kaskade der miesen Kommunikation.

3. Wut

Nehmen sie einem Lebewesen, das Angst hat, die Fluchtmöglichkeit. Was dann folgt, ist die Aggression, die Wut. Und siehe oben – wer die Wut kanalisiert, gewinnt. Noch nie stand jemand so massiv für ein „Fickt Euch doch alle“ wie Donald Trump. Frauenverachtung, Menschenverachtung, unverhohlener Rassismus – das Prinzip, gegen alles und jeden zu sein, alles mies zu finden, das es gibt. Die Abscheu gegen alles, das Schimpfen. Die gesamte Körpersprache und Mimik ausgelegt auf Raum nehmen, wütende Gesten und Losdreschen. Letztlich Mauern – das sind alles Wutsymbole.

Der beleidigende Populismus von Donald Trump ist die pure Ausdrucksform der Wut.

Und damit sind wir in Europa, in Österreich. Kommt Ihnen da was bekannt vor?

Seit vielen, vielen Jahren gurken die etablierten Politiker in ihren Grabenkämpfen herum, ohne sich auch nur einen Deut darum zu scheren, was auf der Welt abgeht. Glauben sie wirklich, dass wir in Österreich von den großen Weichenstellungen verschont werden? Und glauben sie wirklich, dass die Menschen hier nicht genau die gleichen Ängste haben wie in Amerika? Glauben sie, das wird durch ignorieren besser? Wie viele Wahlen braucht es denn, bis irgendjemand aufwacht?

Um aber bei meinem Thema zu bleiben – wollen wir endlich kommunizieren lernen? Oder wollen wir das Feld den – vielleicht differenzierteren aber doch – Schnarchnasen überlassen? Wählautomatismen sind vorbei, die Wähler wollen erobert, besser noch verstanden und überzeugt werden.

Die Trumps dieser Welt stehen auf einer Basis aus Unverständnis, Angst und Wut.

Was also ist mein Vorschlag?

Er steckt in meiner These zum Charisma – ich glaube, dass sich die charismatischen Fähigkeiten in drei Organen symbolisch darstellen lassen.

  1. Herz

Hier geht es um das innere Feuer, das brennt. Ich kann mich nur wundern, wenn ich mir Pressekonferenzen beispielsweise einer ÖVP ansehe. Wieviel grantelnde Menschen kann man auf einen Haufen bringen? Wieviel missmutige, gelangweilte Gesichter?

Es geht aber auch um die Empathie. Wir verlernen sie nach und nach. Der schon erwähnte IBM Computer Watson erkennt mit einer enormen Präzision Ironie in Kundenbeschwerden. Sollte uns das nicht zu denken geben? Dass ein Computer bald etwas kann, das viele Menschen nicht mehr können? Wir brauchen dringend wieder Empathie – als Menschen, aber auch als Politiker. Trump ist das Gegenteil davon.

  1. Hirn

Charismatische Kommunikation braucht klare Gedanken, kritisches Denken, Selbstreflexion. Vor allem: Wachheit, Interesse. Mauern aufziehen und zu glauben, dass dann alles gut wird, gehört hier nicht dazu. Die Welt zu verstehen, indem man sich Facebook Memes um die Ohren haut, klappt nicht recht. Ich fordere das von uns als Menschen ein: dass wir wieder mehr in die Tiefe gehen, differenzierter Denken und Reden. Und natürlich auch von der Politik: wir brauchen wirklich helle Köpfe. Die Visionäre sitzen im Silicon Valley und den Entwicklungsabteilungen, in smarten Start ups. Die fahren uns die Welt um die Ohren. Die besten Köpfe machen für viel Geld alles möglich. Und dieselben Politiker wie eh und je sollen darauf mit Unwissenheit, wenig Fantasie und beschäftigt mit sich selbst Antworten geben?

  1. Eier

Ums gleich zu sagen: egal wo die Dinger sind, meine Damen, wir brauchen Eier. Wir sind maingestreamed und fade. Trump ist in seinem Auftreten eine intellektuelle Nullnummer. Aber von den Nüssen her eine ganz große Nummer.

Wie immer im Leben: statt sich zu ärgern und gekränkt zu sein: was kann ich denn lernen?

Wie sehr kann man sich, wenn es um die eigenen Werte geht auf gut österreichisch „nix scheissen“ und auch einmal laut werden, wenn es sein muss.

Noch wichtiger aber: lässt sich wer finden, der wenn er oder sie schon nicht die Fragen beantworten kann, wenigstens meine Angst zur Kenntnis nimmt und mir den Mut macht, dass es weitergeht. Jemand, der Herz, Hirn und Eier mitbringt?

Wenn nicht, liebe Leute, bleibe ich bei dem, was sich seit Jahren sage: dann werden andere das Match gewinnen.

Das ist erst der Anfang.

PS: „The Sound of Silence“

Ich glaube, dass das wunderbare Cover des Paul Simon Klassikers „The sound of silence“ in der Version von Disturbed aus einem bestimmten Grund so viele Menschen anspricht.

Die letzte Strophe lautet

And the people bowed and prayed

To the neon god they made

And the sign flashed out its warning

In the words that it was forming

And the sign said, „The words of the prophets are written on the subway walls

And tenement halls“

And whispered in the sounds of silence

Wir haben uns diesen neuen Neon-Gott geschaffen, vor dem wir uns demütig verbeugen. Die Welt, die wir gerade schaffen, macht uns mehr vor, als sie hält.

Ich glaube fest daran, dass es uns allen gut täte, wieder die Stille zu finden, um zu Verstand zu kommen und uns zu orientieren.

Bleiben Sie wach!

 

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