Dialekt oder Schriftsprache. Entscheiden und umsetzen.

Gerade erleben wir im Zuge der Olympiade bei Interviews mit Sportlern den Charme von Dialekt. Diese Frage wird mir im Coaching häufig gestellt: darf man bei Interviews und Vorträgen im Dialekt sprechen.

Die generelle Antwort: Ja. Mit winzigen Einschränkungen

Grundsätzlich ist die Definition einer „allgemein“ gültigen Hochsprache unter Wissenschaftlern ein ohnehin umstrittenes Thema. Es ist also an sich schon schwer festzustellen, was „richtiges“ Deutsch ist.

Allein der Blick auf „korrekte“ Aussprache zeigt die Schwierigkeit: lange Zeit war die Aussprache nach Theodor Siebs aus 1898 (!) z.B. auf der Bühne der Standard. Die Kritik daran: diese Aussprache ist fernab der täglichen Sprache. Wer beispielsweise ein wunderbares stimmhaftes „s“ spricht, wirkt eher bescheuert als korrekt.

Goethe sagte ganz richtig: „Beim Dialekt beginnt die gesprochene Sprache.“ Denn die Schriftsprache ist auch bei jemandem, der Dialekt spricht, üblicherweise der Norm entsprechend.

Wenn jemand also nach der Schrift spricht, wird dies derzeit als „Standard-Deutsch“ empfunden. Beispiel: „Wenn es läuft, dann läuft es“ sprechen Kärntner als „Wenns laaft dann laafts“ aus. „Magst Du einen Kuchen?“ klingt beim Tiroler nach „Magsch oan Kuchchn?“ Schreiben würden sie alles gleich, aussprechen werden sie es verschieden.

Wer also nach seiner Region klingen will, nimmt die gesprochene, wer „korrekt“ klingen will, die geschriebene Version. Als Faustregel gilt: Dialekt bringt oft Sympathiepunkte und wirkt authentisch, Schriftdeutsch bringt Kompetenzpunkte. Danach gilt es zu entscheiden.

Wichtig: Für jemanden, der nur Dialekt spricht, ist Schriftdeutsch schlichtweg eine Fremdsprache.

Wenn man sich dieser Sprache also so weit als möglich nähern möchte, braucht es viel Routine und Übung – und dann, aber nur dann, spricht nichts dagegen, zwischen verschiedenen Aussprachen zu switchen.

Damit sind wir bei den einzigen Ausnahmen zu „Dialekt rules“.

  1. Verständlichkeit. Wenn Sie als Vorarlberger häufig im Norden Deutschlands sprechen, kann es schlichtweg sein, dass man Sie nicht versteht. (das gilt übrigens umgekehrt nicht).
  2. Seriosität: Wenn Sie das Gefühl haben, dass Ihre Seriosität bei überregionalen Themen leiden könnten. Dann nehmen Sie sich wie oben beschrieben das Ziel vor und arbeiten Sie daran.

Zusammengefasst

  1. In den meisten Fällen stört Dialekt nicht.
  2. Wenn er stört, arbeiten Sie so lange am Schriftdeutsch, bis Sie es perfekt beherrschen. Dann und nur dann, können Sie switchen.
  3. Eine Färbung, die anklingt, ist nie hinderlich.
  4. Wirklich komisch klingt es nur, wenn sich jemand nicht entschieden hat und zwischen beidem in einem Interview oder einer Rede hin- und herspringt. Und vor allem, wenn die „korrekte“ Aussprache nicht wirklich sitzt. Dann wird es bemüht und peinlich.

Sehen Sie dazu auch hier mein ORF Interview zum Thema Dialekt oder Hochdeutsch.

 

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